Vom Aussteiger zum erfolgreichen Unternehmer

Wilhelm Kinn aus Abentheuer produziert in Birkenfeld vegane Bio-Süßigkeiten

In unserer Serie „Gute Idee – Regionale Projekte und Konzepte im Fokus“ stellen wir in lockerer Folge Ideen vor, die dazu beitragen, unsere Region attraktiver zu machen.

Teil 4:  Die BIO-pralinen-Manufaktur Govinda Natur in Birkenfeld

Als Wilhelm Kinn mit 19 Jahren nach der Ausbildung zum Hotelfachmann 1979 beschließt, als Hare-Krishna-Mönch nach Indien zu gehen, ahnt er nicht, auf welch bewegtes Leben er 50 Jahre später zurückblicken wird. Kinn ist auf Sinnsuche und findet Gefallen an dem enthaltsamen, spirituellen Leben. Zurück in Deutschland bleibt er der Bewegung treu: Er lebt zehn Jahre als Mönch, bis er im Tempel eine Frau kennenlernt und sich für die Familiengründung entscheidet.

„In meinen Beruf konnte ich nicht zurück, meine Lebensweise aber wollte ich beibehalten“, erzählt er. „So entstand die Idee, die ayurvedische Küche nach Deutschland zu bringen.“ Gemeinsam mit einer Freundin betrieb Kinn in Heidelberg ein kleines vegetarischen Restaurant mit Bio-Fachhandel, aus dem später „Govinda Natur“ hervorgeht.

Unter den Produkten schon damals: Dattel-Kokos-Kugeln und das Kichererbsen-Konfekt Laddu. „Jede einzelne Praline habe ich in meiner Küche von Hand gerollt und verpackt“, erinnert sich Kinn, der die süßen Köstlichkeiten in Indien kennen und lieben gelernt hatte.

 

Govinda Natur zieht nach Birkenfeld

Bis heute gehören die Ursprungspralinen zum Standardsortiment des gewachsenen Unternehmens, das inzwischen an zwei Standorten zu Hause ist. Während seine Geschäftspartnerin Doris Maiwald die Firma von Neustadt an der Weinstraße aus leitet, ist Wilhelm Kinn Birkenfeld treu geblieben. Dem Standort, der von 1995 bis 2013 auch Firmensitz war, als die Familien Maiwald und Kinn Heidelberg den Rücken gekehrt hatten und ihre Kinder in Abentheuer großzogen.

Doch die Räume in Birkenfeld wurden für das wachsende Unternehmen zu klein. Der Firmensitz zog zunächst nach Neuhofen, dann nach Neustadt. Kinn jedoch beschloss in Abentheuer und in Birkenfeld zu bleiben: „Ich war tief verwurzelt in meiner neuen Heimat und fühlte mich wohl. Zudem sind die vorhandenen Räume nach wie vor perfekt für die Manufaktur.“

 

Vegane Bio-Pralinen aus wenigen Rohstoffen

In Birkenfeld werden pro Jahr rund 100 Tonnen Bio-Rohstoffe zu veganen Kugeln, Streifen und Riegeln verarbeitet und in alle Welt vertrieben. Die Govinda-Produkte aus der Nationalparkregion sind in deutschen Bioläden und zudem in 17 weiteren Ländern erhältlich, Tendenz steigend.

Topseller sind neben dem Produkt „Schoko Delight“, einer Praline aus Datteln, Kakao und Vanille, die Dattel-Kokos-, Schokos-Kirsch- und Mango-Kugeln. Alle Produkte sind vegan, Bio und werden aus nur wenigen Rohstoffen hergestellt. „Unsere Mangokugeln bestehen zum Beispiel nur aus Mango. Da weiß man genau, was man isst“, sagt Kinn.

 

Nachhaltigkeit als Lebensmotto

25 Menschen gibt Kinn in Birkenfeld eine Arbeit. Die Manufaktur ist gut ausgelastet. Der Strom kommt überwiegend aus einem eigenen Blockheizkraftwerk. Wer mit dem E-Auto oder dem E-Bike zur Arbeit kommt, darf kostenlos Strom tanken.

Auch bei Verpackungen legt das Unternehmen Wert auf Nachhaltigkeit und experimentiert seit einiger Zeit mit kompostierbaren Folien und Kartons aus Graspapier.

 

Vielfältig engagiert in der Region

Darüber hinaus liegt Wilhelm Kinn, der in Abentheuer nach wie vor in dem von ihm in der früheren Hujet-Sägemühle gegründeten Krishna-Tempel mit Seminarzentrum aktiv ist, die Infrakstruktur seiner Wahlheimat am Herzen. Seine Frau Sima Khosharay betreibt in Birkenfeld die ArtGallery 64. Auch das von Kinn initiierte ehemalige Café Artechino feiert am 3. September 2021 Wiedereröffnung – mit neuen Betreibern und unter dem neuem Namen „Tassje am Brunnen". Zudem hat ein ehemaliger Govinda-Mitarbeiter mit Kinns Hilfe in Birkenfeld den E-Bike-Laden Radhaus eröffnet, der so erfolgreich ist, dass Kinn bereits überlegt, auf dem Firmengelände ein größeres Fahrradgeschäft zu eröffnen.

„Corona hat unseren Tatendrang etwas gebremst. Aber ich hoffe, es geht jetzt wieder los. Mir ist es wichtig, mich sozial einzubringen und Arbeitsplätze zu schaffen, damit die jungen Leute, die hier auf dem Land leben möchten, eine Perspektive haben.“ Dazu gehört auch, dass Kinn in seiner Manufaktur zwei Ausbildungsplätze anbietet – für Bürokaufleute und Maschinenanlagenführer. Welches Projekt er tatsächlich auf der freien Fläche auf dem Firmengelände umsetzen wird, überlegt er noch. Die Ideen jedoch, das ist sicher, werden dem umtriebigen Unternehmer so schnell nicht ausgehen.