Auf eine Krommbierewurscht mit ... Michael Dietz und Christina Biehl, Wirtschaftsförderung Birkenfeld

Im August übergibt Michael Dietz die Geschäftsführung der Wirtschaftsförderung Birkenfeld an Christina Biehl. Ein Gespräch über Wirtschaftsförderung auf dem Land, die Erfolge der Vergangenheit und die Herausforderungen der Zukunft

Michael Dietz übernahm 2007 die Leitung der Wirtschaftsförderung der Verbandsgemeinde Birkenfeld, die 2017 in die Wirtschaftsförderungs- und Projektentwicklungsgesellschaft Kreis Birkenfeld mbH (kurz: WFG BIR mbH) umgewandelt wurde. Damals bestimmten die Sorgen über die zunehmende Landflucht junger Menschen, die Abwanderung von Fachkräften und die Überalterung der Bevölkerung die Agenda. Doch der gebürtige Mannheimer, der im Alter von drei Jahren in die Region kam, im Idar-Obersteiner Stadtteil Idar aufwuchs und heute in Mittelbollenbach lebt, glaubte an die Qualitäten seiner Heimat. Er nahm die Herausforderung an und stemmte sich gegen den Trend.

Seine Nachfolgerin Christina Biehl, die am 1. August die Geschäftsführung der WFG BIR übernimmt, kann auch wegen dieses Engagement optimistisch in die Zukunft blicken. Viele Probleme sind zwar nicht verschwunden, aber der ländliche Raum wird derzeit wieder attraktiver. Auch im Landkreis Birkenfeld wächst die Bevölkerung und wirtschaftlich läuft es gut. Perspektiven, die Dietz den Abschied erleichtern. Auch, weil er mit Christina Biehl eine Nachfolgerin gefunden hat, der die Region ebenso am Herzen liegt wie ihm. Biehl stammt aus Rötsweiler-Nockenthal und lebt heute in Siesbach bei Idar-Oberstein. Sie studierte in Remagen und Koblenz und schloss den Master in Umwelt- und Betriebswirtschaft am Umwelt-Campus Birkenfeld an. Dort war sie nach ihrem Abschluss auch in verschiedenen Funktionen beschäftigt. Zuletzt arbeitete Biehl als Schnittstellenmanagerin und trieb die Vernetzung von Schule, Hochschule und Unternehmen voran.

 

Herr Dietz, am 31. Juli gehen Sie in den Ruhestand. Was war im Rückblick Ihr wichtigstes Projekt?

Michael Dietz: Als ich 2007 in der Wirtschaftsförderung begann, herrschte eine resignierte Stimmung. Wir hatten zwar einige hochinnovative Unternehmen in der Region, aber Fachkräfte waren rar und die Bevölkerungsprognosen sagten langfristig einen Rückgang um 35 Prozent und eine starke Überalterung voraus. Das hat mich aber nicht abgeschreckt. Wir haben den Zuschlag für das Bundesprojekt LandZukunft bekommen und mit den 1,2 Millionen Euro Fördermitteln viele Projekte angestoßen. Vor vier Jahren ist daraus auch die Fachkräfteinitiative „dein BIR“ entstanden, die mit dem frechen Slogan „dein BIR – nix für jeden“ einen Nerv getroffen hat. Als Zusammenschluss regionaler Unternehmen in Kombination mit einer Marketingkampagne stellt „dein BIR“ auf frische Art und Weise die Vorteile unserer ländlichen Region heraus. Das hat für eine sehr gute Resonanz gesorgt und zeigt erste Erfolge.

 

Welche sind das?

Dietz: Zum einen, das hören wir aus den Unternehmen, hat sich die Wahrnehmung der Region generell verbessert. Tatsächlich werden Menschen durch die Kampagne auf den Landkreis aufmerksam und registrieren, welches unternehmerische Potenzial hier schlummert. Darunter sind auch Einheimische. Denn eines unserer Ziele ist, junge Menschen aus der Region davon zu überzeugen, dass sie hier bei uns erstklassige Ausbildungschancen haben. Daher veranstalten wir auch jährlich eine große Karrieremesse. Durch Corona wurden wir etwas ausgebremst, aber am 6. und 8. Oktober wird das Bewerber-Event in der Messe Idar-Oberstein hoffentlich wieder wie gewohnt stattfinden können.

 

Generell scheinen die Unternehmen recht zufrieden zu sein. Zuletzt häuften sich ja die Erfolgsmeldungen …

Dietz: Ja, tatsächlich. Der Biokunststoffproduzent Polymer baut derzeit im Idar-Obersteiner Gewerbegebiet Weidenberg einen neuen Standort, an dem 350 Arbeitsplätze entstehen sollen. Auch Biontech, das 2021 durch den Erfolg des Corona-Impfstoffes für große Steuermehreinnahmen in Idar-Oberstein sorgte, hat angekündigt zu expandieren. Das Pharmaunternehmen mit derzeit rund 400 Mitarbeitern in der Region investiert 75 Millionen Euro in die Vergrößerung und will 200 neue Arbeitsplätze schaffen. Zudem soll der lange geplante Ökompark Heide-Westrich in Baumholder nun nach der Zusage des Autobahnanschlusses endlich Realität werden. Verschiedene Unternehmen haben bereits Interesse bekundet. Derzeit gehen wir davon aus, dass hier bis zu 500 Arbeitsplätze entstehen werden.

Christina Biehl: Durch seine Lage unweit des Umwelt-Campus Birkenfeld bietet der Ökompark hervorragende Bedingungen für eine stärkere Vernetzung von Unternehmen und Wissenschaft. Ein Bereich, den ich künftig gerne weiter ausbauen möchte. Denn der Umwelt-Campus als erstklassiger Ausbildungsort wird in der Region nach wie vor noch zu wenig wahrgenommen – sowohl von Unternehmen als auch von jungen Menschen, die oft gar nicht auf die Idee kommen, hier vor Ort zu studieren, obwohl es dort eine erstklassige Lehre gibt, wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann.

 

Einer Ihrer Schwerpunkte wird also auf der Vernetzung zwischen Hochschule, Unternehmen und Schülern liegen?

Biehl: Ja, absolut. Wir möchten von klein auf den Schülern zeigen, was die Region kann und ihnen mitgeben: Schaut her, ihr könnt hier sogar studieren oder ein duales Studium machen. Wir haben alles, was man sich wünschen kann. Man muss es nur wissen. Auch Unternehmen sollen intensiver darüber informiert werden, dass es vielfältige Kooperationsmöglichkeiten gibt. Der Umwelt-Campus hat diverse Kompetenzzentren, die sich ideal dafür eignen, Forschungsprojekte zwischen Wissenschaft und Wirtschaft umzusetzen.

 

Auch die Fox-Box, die Kindern die Vorzüge der Region nahebringen soll, hat die WFG BIR unterstützt. Warum?

Dietz (schmunzelt): Wissen Sie, 1985 habe ich als Berufseinsteiger nach meiner Ausbildung zum Raum- und Umweltplaner einem Vortrag eines Regionalplaners gelauscht, der unter anderem sagte: „Verwaltung besteht darin, dass man seine Zuständigkeit prüft“. Dies tue ich seitdem laufend und lasse mich dabei von der Devise leiten: Alles, was interessant klingt, das unterstützen wir.

Als nun Carmen Grasmück, die Koordinatorin des Bildungsnetzwerks Hunsrück-Hochwald, und Jutta D’Orazio, Pressesprecherin der OIE, die Idee der Fox-Box als Kinderversion der Pro BIR-Kiste an mich herantrugen, habe ich nicht lange gezögert, dies als Wirschaftsförderung zu unterstützen. Wir haben ein großes Netzwerk, das sich einbringen kann. Und tatsächlich existiert auch ein langfristiger Nutzen für die Unternehmen. Denn wenn wir es schaffen, Kinder – egal, ob sie aus unserer Region kommen oder unsere Region besuchen – für unsere Region zu interessieren und sie von ihr zu begeistern, dann steigen auch die Chancen, dass sie hier bleiben, um zu arbeiten oder eventuell später auch einmal herziehen, wenn sie öfter in der Region Urlaub gemacht haben.

 

Ein ähnliches Beispiel ist Ihre Unterstützung des MTB-Events „The Nines“, das vom 13. bis 17. September wieder im Steinbruch Ellweiler stattfindet…

Dietz: Richtig. Auch hier mag man sich zunächst fragen, wieso die Wirtschaftsförderung bei dieser Veranstaltung die Hände im Spiel hat. Doch tatsächlich liefen die ersten Kontakte über uns und ergaben sich durch einen Zufall. Die Veranstalter, die vorab in Sölden zu Gast waren, sprachen uns an. Sie suchten nach einem neuen Standort für das Event und dachten zunächst, es gäbe den Bikepark Idarkopf bereits. Statt einfach abzusagen, haben wir den Steinbruch Ellweiler als Alternative angeboten. So kommen wir nun Jahr für Jahr durch einen geringen finanziellen Einsatz zu einem Megaevent, das jedes Mal mehr als eine Milliarde Reaktionen in den sozialen Medien bringt, weil die Crème de la Crème der Bikerszene hier zu Gast ist. Eine bessere Werbung für die Region kann es gar nicht geben!

 

Um ein anderes Projekt, den „Oak Garden“ in Hoppstädten Weiersbach ist es zuletzt still geworden. Wie ist hier der Stand?

Dietz: In der Tat hat die Pandemie im „Oak Garden“ seine Spuren hinterlassen. Vielen Chinesen waren die deutschen Maßnahmen zu lasch: Sie sind ausgereist und haben ihre Aktivitäten ruhen lassen oder eingestellt. Zudem war lange Reisen kaum möglich und auch die Ausfuhr von Produkten aus China war zeitweise schwierig. Langsam kehrt auf dem Gelände aber wieder Leben ein. Auch die Niederlassung von Alibaba.com ist nach wie vor im „Oak Garden“ ansässig. Diese chinesisch-deutsche-Kooperation nun wieder zu reaktivieren wird eine unserer Aufgaben für die Zukunft sein.

 

Was sind weitere wichtige Projekte für die nähere Zukunft?

Dietz: Wir erleben in unserem ländlichen Raum gerade einen beispiellosen Aufschwung, der allen Vorhersagen der Demographen trotzt. Zuletzt konnten wir sogar ein Wachstum der Bevölkerung verzeichnen. Mit dieser Entwicklung müssen wir nun auf allen Ebenen Schritt halten. Wir haben Arbeitsplätze und spannende Unternehmen. Um langfristig Menschen in die Region zu locken, benötigen wir aber auch eine entsprechende Infrastruktur. Derzeit beschäftigen sich 30 Ortsgemeinden damit, neue Bebauungspläne zu erstellen. Denn die Immobiliennachfrage ist zuletzt deutlich gestiegen. Zudem benötigen wir ausreichend Kita- und Schulplätze. Um auch hier mithalten zu können, treiben wir die interne Vernetzung mit den Verwaltungen voran und suchen den Dialog.

Biehl: Tatsächlich ist in diesem Bereich derzeit einiges in Bewegung. Ich arbeite ja bereits seit Mai an der Seite von Herrn Dietz, damit ich bis zur Amtsübernahme im August alle aktuellen Themen kenne. Künftig werden wir versuchen, die Reibungsverluste, die in der Kommunikation zwischen Unternehmen und Verwaltungen oft entstehen, weiter zu verringern. Die Verwaltungen der Region sind hier sehr kooperativ und unser Team ist sehr engagiert. Das sind optimale Voraussetzungen, denn um langfristig den Bedarf an Fachkräften für die Region zu sichern, müssen alle an einem Strang ziehen. Unter anderen planen wir derzeit einen Ausbildungsverbund für Biotech-Berufe in Rheinland-Pfalz, an dem viele Seiten beteiligt sind.

 

Herr Dietz, Sie haben sich in Ihrem Berufsleben sehr für die Region engagiert. Ziehen Sie sich nun komplett in den Ruhestand zurück?

Dietz: Nein, von heute auf morgen gar nichts mehr zu machen, kann ich mir nicht vorstellen. Daher habe ich eine Consulting-Firma angemeldet. Ich möchte mich weiter für eine positive Entwicklung der Region einsetzen und denke, das sollte ich tun, indem ich die Kontakte, die ich im Laufe der Jahre aufgebaut habe, sinnvoll nutze. Meine Frau schaut zwar derzeit öfter skeptisch, wenn daheim ständig das Telefon klingelt. Aber auch sie weiß, dass ich nicht zum Nichtstun gemacht bin. Auch im Burgenverein Schloss Oberstein werde ich weiter aktiv sein. Ebenso wie ich mich weiterhin dafür einsetzen möchte, die Nationalparkregion als Wander- und Radfahrerparadies bekannter zu machen. Mir wird ganz sicher so schnell nicht langweilig werden.

 

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