Auf eine Krommbierewurscht mit ... Maren Hoffmann-Schmidt, Verbandsgemeinde Herrstein-Rhaunen
Das Landleben ist mit vielen Vorurteilen behaftet. Doch die Corona-Krise hat sichtbar gemacht, was viele längst wissen: Dörfer haben Zukunft und können ein Garant für Lebensqualität sein
Wichtig ist, dass die Infrastruktur stimmt und etwa schnelle Breitbandverbindungen vorhanden sind. „Landleben rockt und ist alles andere als öde“, bringt es Maren Hoffmann-Schmidt, zuständig für Standortentwicklung in Herrstein-Rhaunen, auf den Punkt.
50 Ortsgemeinden verteilen sich in der größten Verbandsgemeinde des Nationalpark-Landkreises Birkenfeld auf 330 Quadratkilometer, eine Fläche so groß wie die Insel Malta. Hoffmann-Schmidt ist im Dorf aufgewachsen und lebt bis heute dort - und zwar gerne. „Meine OIE“ hat sie verraten, wie sie junge Menschen und Fachkräfte vom Landleben begeistern möchte.
Sie haben in der Verbandsgemeinde Herrstein-Rhaunen mit dem Imagefilm auf emotional anrührende und zugleich erfrischende Art und Weise gezeigt, wie lebenswert kleine Orte tatsächlich sind. Wie kam es dazu?
Anlässlich der Fusionierung der Gemeinden Herrstein und Rhaunen und der bekannten Herausforderungen, mit denen ländliche Gebiete konfrontiert sind, kam uns die Idee, ein positives Statement für das Leben auf dem Land abzugeben und mit Vorurteilen aufzuräumen. Im Imagefilm „Heimatliebe" kommen Menschen aus der Region zu Wort, die aus ihrer Sicht „frei Schnauze“ erzählen, was sie an unserer Region und ihrer Heimat wertschätzen.
Hintergrund ist, dass die Abwanderung junger Menschen für uns ein großes Problem bedeutet, auch Zuzüge junger Menschen sind eher selten. In der aktuellsten Bevölkerungsvorausrechnung des Statistischen Landesamts werden dem Landkreis Birkenfeld die stärksten Bevölkerungsverluste in Rheinland-Pflalz prognostiert.
Was bedeutet das konkret für Herrstein-Rhaunen?
Klar ist, der demografische Wandel wird unsere Region mit voller Wucht treffen. Schon jetzt kämpfen wir zunehmend mit Leerständen, einem sich abzeichnenden Fachkräftemangel vor Ort, unzureichenden Nahverkehrsangeboten und dem Rückgang der Landwirtschaft.
Doch Krisen bedeuten immer auch Chancen. Und diese wollen wir nutzen. Denn das Leben auf dem Land hat auch viele positive Seiten, die in der öffentlichen Diskussion wenig Beachtung finden. Daher haben wir uns für die Imagekampagne entschieden, um ein klares Statement für das Landleben abzugeben und die positiven Aspekte zu betonen.
Sie kommt zur rechten Zeit, denn auch durch die Corona-Krise erlebt der ländliche Raum derzeit eine positive Aufwertung …
Ja, tatsächlich. Bei allen schlimmen Begleiterscheinungen dieser globalen Krise, deren Folgen durch langfristig fehlende finanzielle Mittel leider auch die ländlichen Regionen treffen werden, ist der zeitgleich stattfindende Imagegewinn des ländlichen Raums nicht zu unterschätzen.
Der Platz in der Stadt ist begrenzt. Die Menschen fühlten sich während des Lockdowns eingeengt – und waren froh, wenn sie aufs Land flüchten konnten. Studenten und Azubis sind zurück zu ihren Eltern gezogen. Die Krise hat auf bemerkenswerte Weise gezeigt, wie wertvoll Raum zur individuellen Entfaltung und sozialer Zusammenhalt in intakten Dorfgemeinschaften ist. Auch unsere Dorfläden haben neue Wertschätzung und Aufmerksamkeit erfahren.
Auch die neuen Arbeitsstrukturen, die sich in vielen Branchen durch die Krise etabliert haben, eröffnen für einen Umzug auf das Land neue Möglichkeiten. Wie sehen Sie das?
Die Pandemie hat in vielen Unternehmen die Einrichtung verlässlicher Homeoffice-Strukturen befeuert. Da dies überwiegend reibungslos geklappt hat, werden viele Firmen sicher auch in Zukunft Homeoffice nicht mehr derart ablehnend gegenüberstehen wie oft noch vor der Krise.
Einhergehend mit dem allgemeinen Image-Gewinn ländlicher Räume bietet diese Entwicklung eine echte Chance, Familien und junge Menschen langfristig für das Landleben zu begeistern, denn schnelles Internet ist in den meisten unsere Ortsgemeinden bereits jetzt kein Problem mehr – der Breitbandausbau schreitet mit großen Schritten voran und sichert uns den Anschluss an die moderne Arbeitswelt. Der Wohnort ist nicht mehr zwangsläufig am Arbeitsplatzstandort gekoppelt und der Wunsch nach dem Leben im Grünen mit Lebensqualität wird für viele greifbarer.
Dasselbe gilt auch für die Ärzte-Kampagne, die Sie gemeinsam mit dem Imagefilm veröffentlicht haben. Wie ist die Resonanz darauf?
Die Nationalpark-Verbandsgemeinde Herrstein-Rhaunen beschäftigt sich bereits seit einigen Jahren mit diesem Thema. 2016 und 2017 haben wir Zukunftswerkstätten veranstaltet und Beschlüsse gefasst, wie wir eine zuverlässige Hausärzte-Versorgung für unsere Region auf Dauer sicherstellen können. Dazu gehörte auch ein Kommunikationskonzept, das die Außenwahrnehmung der Region stärkt und ihre Vorzüge gezielt für Ärzte herausstellt.
Der Filmspot mit dem Titel „Vorurteile“ ist eines der Ergebnisse. Ob die Effekte, die die Gesundheitskrise begleiten, eine langfristige Wirkung für uns haben und mehr Ärzte für das Landleben begeistern werden, wird sich zeigen. Zunächst einmal hat die Kampagne das gemacht, was sie sollte – Aufmerksamkeit erzeugt und innerhalb der Bürgerschaft für eine hohe Identifikation gesorgt. Erste Erfolge dürfen wir auch schon verkünden – zum 1. Juli wird sich ein neuer Allgemeinmediziner am Standort Rhaunen in einer Gemeinschaftspraxis niederlassen und wir sind in konkreten Gesprächen mit zwei weiteren Medizinern aus dem Rhein-Main-Gebiet. Generell erleben wir aber eine erfreuliche Aufgeschlossenheit und haben zuletzt vermehrt Anfragen von Ärzten erhalten. Ich bin daher zuversichtlich, dass unsere Kampagne Wirkung zeigt.
Um die Attraktivität der Dörfer zu steigern, gehen Sie außerdem mit dem „Zukunfts-Check Dorf“ neue Wege …
Mit dem Angebot der Durchführung des „Zukunfts-Check Dorf“ in unseren Ortsgemeinden nimmt jede Dorfgemeinschaft selbst ihren Ort unter die Lupe. Die Menschen sammeln Stärken und Schwächen und entwickeln Ideen, wie das Dorf sich zukunftsfähig aufstellen kann. Es geht um den langfristigen Erhalt der Dörfer.
Wie genau geht dies vonstatten?
Es wird innerhalb einer moderierten Auftaktveranstaltung von den Bügern eine Analyse erstellt. Anschließend werden – aufbauend auf den Ergebnissen – Arbeitsgruppen gebildet. Daraufhin erfolgt die Ist-Bestandsaufnahme anhand Erfassungsbögen in den jeweiligen Arbeitsgruppen und die Identifikation von Handlungsfeldern. Alle gewünschten und geplanten Maßnahmen werden in einem Katalog festgeschrieben, mit Prioritäten versehen und letztendlich im Abschlussbericht, dem Dorfentwicklungskonzept, festgehalten. Zugleich stehen im Anschluss Fördermittel bereit, die beispielsweise für Dorferneuerungsprojekte oder Renovierungsmaßnahmen eingesetzt werden können.
Wie ist der derzeitige Stand des Projekts?
Wir haben zunächst die ersten zehn Ortsgemeinden ausgewählt, die sich zur Durchführung des Zukunfts-Checks "Dorf" entschlossen und bislang noch kein oder ein veraltetes Dorferneuerungskonzept haben. Die erste Gemeinde ist im Januar dieses Jahres an den Start gegangen und abgesehen von den Verzögerungen durch die Corona-Krise sind die Erfahrungen positiv. Die Bürger werden einbezogen und können ihre Ideen einbringen. Zudem bieten nach Erstellung des Konzepts verschiedene Fördertöpfe Möglichkeiten, gute Idee tatsächlich auch umzusetzen. Toll ist, dass die Menschen vor Ort bei diesem Projekt selber aktiv werden können und damit die individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Dorfes miteinfließen.
Denn jedes Dorf ist anders und braucht seine eigene Mitmach-Kultur. Und diese wiederum lebt davon, dass der Slogan „Du bist das Dorf!“ mit Leben gefüllt wird. Dass also die Menschen erfahren, dass sie gemeinsam etwas bewegen können und nicht tatenlos zusehen müssen, wie das eigene Dorf gestaltet wird.
OIE Card Vorteil:
Schauplatz unserer Reihe „Auf eine Krommbierewurscht mit ...“ ist das Café Zehntscheune in Herrstein. Inhaber der OIE Card erhalten dort zu ihrer Bestellung ein Freigetränk nach Wahl.
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