Auf eine Krommbierewurscht mit ... Tom Sessa aus Schmißberg

In der Schmißberger Storchenvoliére am Naturerlebniswanderweg „Im Land von Milan, Storch und Co.“ gab es 2021 Nachwuchs. Der erste seit 190 Jahren in der Region! Und auch das Nest oberhalb der Voliére war erstmals besetzt. Ein Gespräch mit dem Schmißberger Tom Sessa über Storchenbabyglück, Gemeinschaftssinn und Zukunftshoffnungen

Der Sozialpädagoge und Ergotherapeut Tom Sessa arbeitet als Ergotherapeut und Ausbilder im Berufsförderungswerk der Elisabeth Stiftung in Birkenfeld. Zugleich ist der gebürtige Saarbrücker überzeugter Schmißberger und engagiert sich gemeinsam mit anderen Bewohnern dafür, dass es in dem 220-Einwohner-Dorf nicht langweilig wird. Ein Projekt der aktiven Dorfgemeinschaft ist die Storchenvoliére, eine der 18 Attraktionen am 20 Kilometer langen Naturerlebnispfad, der seit Herbst 2019 die Gemeinden Schmißberg, Niederhambach und Rimsberg verbindet. Dort leben Lotte und Bernie. Das Storchenpaar legte bereits 2020 drei Eier, brütete sie jedoch nicht aus. 2021 sah dies jedoch anders aus.

 

Schmißberg ist im Storchenbabyglück. Fünf Eier legten Lotte und Bernie und der Ort freut sich nun über vier muntere kleine Störche…
Ja, wir sind immer noch überwältigt. Denn es ist der erste Storchennachwuchs in unserer Region seit 190 Jahren. Zunächst waren es sogar fünf Babys. Doch eines hat offenbar so schnell und viel gefressen, dass es erstickt ist. Die anderen vier sind aber wohlauf.

 

Zwei Storchenbabys mussten zeitweise aus dem Nest genommen werden. Wieso?
Der Mai war ungewöhnlich kalt und nass, was vielen Störchen Probleme bereitet hat. In manchen Orten ist die gesamte Brut erfroren oder ertrunken, weil sich im Nest das Wasser gesammelt hat. So schlimm war es bei Lotte und Bernie nicht. Doch die beiden letzten Jungen sind deutlich nach den anderen geschlüpft. Die drei Küken waren schon recht groß und unter dem Gefieder der Eltern war nicht genug Platz für die beiden Nachzügler. Sie waren extrem unterkühlt. Also hat unser ehrenamtlicher Storchenpfleger Andreas Damm sie mit nach Hause genommen und aufgepäppelt. Die Babys lebten zwei Wochen in einem Karton mit Heu in seinem Arbeitszimmer unter Rotlicht und wurden vier Mal täglich gefüttert. Als sie groß genug waren, kamen sie zurück ins Nest und sind wohlauf.

 

Auch die Küken in der Voliére wurden regelmäßig gefüttert. Ganz schön viel Arbeit für ein 220-Einwohner-Dorf…
In der Tat die letzten Wochen gab es sehr viel zu tun. Zum Glück leben bei uns im Ort viele engagierte Menschen, die sich um die Voliére und die Küken kümmern. Sie haben sich zur Interessengemeinschaft Storchenfreunde zusammengetan und das Füttern organisiert. Herr Damm hat wochenlang quasi nichts anderes gemacht. Doch die Fütterung ging immer nur zu zweit. Zwei Mal am Tag musste einer das Nest beim Füttern mit einem Regenschirm vor den Storcheneltern abschirmen, die natürlich instinktiv ihre Küken beschützen wollten. Falls Lotte und Bernie noch einmal Eier ausbrüten, überlegen wir, ob wir es anders machen.

 

Welche Optionen gibt es denn?
Wir würden dann versuchen, lediglich zwei Mal am Tag kleingeschnittenes Futter in die Voliére zu stellen und schauen, ob die Storcheneltern die Fütterung selber übernehmen. Einige Experten sagen, das würde reichen. Falls das nicht klappt, reicht es vielleicht auch, nur ein Mal am Tag direkt zu füttern. Das müsste man dann ausprobieren. Da es unsere ersten Küken waren, wollten wir aber nichts riskieren. 2020 hatten die beiden ja auch drei Eier gelegt, diese aber vor dem Ausbrüten aus dem Nest geworfen…



Wie erklären Sie sich den Sinneswandel in diesem Jahr?
Störche sind Gemeinschaftswesen und orientieren sich an ihren Artgenossen. Wo Störche leben, lassen sich gerne weitere nieder. Frei nach dem Motto: Hier muss es schön sein! Ein Storchennest wiegt bis zu 2.000 Kilo. Oben auf dem Voliérendach wäre das recht gefährlich. Deshalb haben wir die Storchenplattform oberhalb der Voliére errichtet. Und tatsächlich haben sich dort erstmals wilde Störche niedergelassen. Endlich hat sich das erfüllt, was wir uns seit Jahren wünschen. Diese beiden, die wir „Piratenstörche“ getauft haben, weil sie das Nest im Frühjahr kurzerhand einem anderen Storch weggeschnappt haben, legten ebenfalls Eier und brüteten. Wir gehen davon aus, dass Lotta und Bernie sich daran orientiert haben.

 

Was ist mit den Eiern der Piratenstörche passiert?
Tatsächlich sind auch bei den Piratenstörchen drei Küken geschlüpft. Doch leider haben sie nicht überlebt. Vielleicht lag es am Starkregen, vielleicht auch an der fehlenden Erfahrung der Eltern. Im ersten Jahr sind junge Störche oft überfordert mit der Aufzucht von Jungen. Das ist Natur.

 

Wie geht es nun mit den Jungstörchen in der Voliére weiter?
Im Laufe des Julis werden die vier Küken beringt. Und Mitte August lassen wir sie aus der Voliére, damit sie sich gemeinsam mit den anderen Jungstörchen auf den weiten Weg nach Afrika machen können. Junge Störche ziehen von Natur aus rund vier Wochen vor den Altstörchen los in die Winterquartiere. Wir hoffen natürlich, dass möglichst viele unserer Jungen überleben und wir im Frühjahr wieder von ihnen hören: Durch die Beringung lässt sich der Weg deutscher Storchenküken gut nachvollziehen. Die Sterblichkeit auf dem Vogelzug liegt jedoch leider bei rund 80 Prozent in den ersten drei Lebensjahren. Daher würden wir uns schon riesig freuen, 2022 zumindest von einem der vier etwas zu hören.

 

Vielleicht kehrt ja auch eines der Küken nach Schmißberg zurück…
Ja, das ist unsere große Hoffnung. Seit 2012 überlegen wir, wie wir es schaffen können, dass Schmißberg ein lebenswerter Ort für Störche wird. Wir haben zwei Plattformen gebaut, eine im Tal „In der Hemelswies“ und eine in einem Privatgarten in der Straße „Am Stabsberg“. Immer wieder kamen Störche und saßen Probe, doch keiner blieb. Also entschieden wir uns, Lotte und Bernie in der Voliére ein Zuhause zu geben, und hofften, dass sich dadurch weitere Tiere ansiedeln würden. Dass die Plattform oberhalb der Voliére nun erstmals besetzt war, ist für unsere Storchenaktionsgruppe ein riesiger Erfolg. Es wäre großartig, wenn 2022 auch die anderen Plattformen erstmals genutzt würden. Vielleicht von einem der Nachfahren von Lotte und Bernie, vielleicht auch von einem anderen Storchenpaar. Zuletzt jedenfalls haben wir immer wieder fremde Störche beobachtet, die die Voliére und das Nest darüber inspizierten und mit lautem Klappern auf sich aufmerksam gemacht haben. Mal sehen, was die Zukunft bringt.