Die Edelsteinmetropole Idar-Oberstein – von den Ursprüngen bis heute

In einer vierteiligen Serie tauchen wir ein in die faszinierende Welt der Edelsteine. Wir erkunden, wie unsere Region sich zu einem der weltweit bedeutendsten Standorte für die Edelsteinindustrie entwickelt hat, welche Steine bei uns heimisch sind und wo sich heute noch Spuren der Steine finden lassen

TEIL 3: WO IN UNSERER REGION HEUTE NOCH SPUREN DER EDELSTEINE ZU FINDEN SIND: MUSEEN UND ERLEBNISORTE

Bis zu 125 Meter hoch sind die Wände aus erkalteter Lava, die Idar-Oberstein überragen. Auf 65 Metern Höhe schmiegt sich die Felsenkirche (1482-84 erbaut) in einer Nische an den Stein. Die imposanten Melaphyrwände entstanden vor rund 300 Millionen Jahren, als unsere Region vulkanisch hochaktiv war. Die erkaltete Lava türmte sich auf und hinterließ diese beeindruckenden Formationen. Zugleich war sie die Voraussetzung für die Edelsteinvorkommen, die in Idar-Oberstein einst gefördert wurden und bis heute den Charakter der Stadt prägen. Davon zeugt auch das naturgewachsene Achatkreuz im Innern der Felsenkirche, das aus Brasilien stammt. Dem Land, in das Ende des 18. Jahrhunderts viele Idar-Obersteiner auswanderten, dort Achate und andere Edelsteine entdeckten, die daheimgebliebenen Schleifer damit belieferten und so sicherstellten, dass Idar-Oberstein sich nach und nach zu einem wichtigen Zentrum der Edelsteinverarbeitung und des Edelsteinhandels entwickeln konnte.

 

Rohe und geschliffene Edelsteine aus aller Welt
Heute ist die Stadt auf der gesamten Welt für seine umfangreiche Erfahrung im Bereich der Schmuck- und Edelsteine bekannt. Juweliere reisen an die Nahe, um in den Lagern der ansässigen Händler nach schönen Steinen zu suchen, die in außergewöhnlichen Schmuckstücken für anspruchsvolle Kunden ihren Platz finden können. Auch Luxusmarken wie Tiffany oder Cartier beziehen ihre Edelsteine zum Teil aus Idar-Oberstein oder lassen bei ortsansässigen Schmuckdesignern edle Geschmeide fertigen. Die Lager in Idar-Oberstein beherbergen rohe und geschliffene Edelsteine aus aller Welt, die seit Beginn der Importe aus Brasilien im Laufe der Zeit gesammelt wurden, um, wenn nötig, Preisschwankungen auf dem Markt auszugleichen und Lieferengpässe zu überbrücken.

 

Idar-Oberstein: Eine Schmuckstadt mit vielen Facetten
Auch wenn sich die Schmuckindustrie seit den ersten Achatfunden in der Region extrem gewandelt hat und auch die ein oder andere Krise ausgestanden werden musste, hat die kleine Stadt an der Nahe ihre herausragende Stellung behaupten können: Heute ist Idar-Oberstein das weltweit einzige Schmuckzentrum, in dem alle Edelsteinarten, die auf der Welt vorkommen, gehandelt werden.

Neben Schmuckstücken entstehen an der Edelsteinstraße rund um Idar-Oberstein auch zahlreiche Kunsthandwerkobjekte. Viele Museen und Kirchen rund um den Globus besitzen Schalen, Becher, Kelche und andere Gegenstände, die einst in der Region gefertigt wurden. Auch heute sind hier noch herausragende Kunsthandwerker beheimatet, deren Arbeiten sehr gefragt sind. Der Edelsteinschleifer Bernd Munsteiner aus Stipshausen zum Beispiel gilt als Meister besonderer Schliffe. Der 1993 entstandener Dom Pedro-Obelisk, den Munsteiner aus einem zwei Kilo schweren Kristall aus Brasilien schuf, gilt als größter geschliffener Aquamarin der Welt und ist in Washington im National Museum of Natural History ausgestellt. Außerdem ist die Region für ihre Graveurskunst bekannt und eine hochspezialisierte Industrie produziert und verarbeitet synthetische Edelsteine, zum Beispiel für die Medizintechnik. Auch die Produktion von Diamantwerkzeugen ist stark vertreten. So entstehen etwa diamantbesetzte medizinische Instrumente wie Skalpelle oder diamantbeschichtete Schleifscheiben und Bohrer, die in der Metall- und Edelsteinbearbeitung eingesetzt werden.

In dieser dritten Folge unserer Edelsteinserie stellen wir drei Orte in Idar-Oberstein vor, an denen Besucher heute die Faszination der edlen Steine unmittelbar erleben können: das Deutsche Edelsteinmuseum, das Deutsche Mineralienmuseum und die Edelstein-Erlebniswelt.

 

Das Deutsche Edelsteinmuseum
Direkt gegenüber der Edelsteinbörse in Idar beherbergt ein denkmalgeschütztes Gründerzeitgebäude mehr als 10.000 funkelnde Schätze: In der schmucken Villa ist seit 1996 das Deutsche Edelsteinmuseum untergebracht. Auf drei Etagen und 700 Quadratmetern können Besucher Diamanten und Rubine bestaunen, leuchtende Aquamarine bewundern und sich vom Funkeln der ausgestellten Saphire und Smaragde verzaubern lassen. Die Ausstellung zeigt die ganze Vielfalt der Edelsteine, denn alle Schmuckstein- und Edelsteinarten der Welt sind hier zu sehen – in natürlicher Form, in feinstem Schliff oder kunstvoll verarbeitet.

Ein Schwerpunkt bildet die heimische Edelsteinvergangenheit. Das Haus zeigt Achate aus dem Steinkaulenberg und weiteren Fundorten der Region ebenso wie beeindruckende Amethyste, Jaspisse und Bergkristalle, mal im kunstvoll geschliffenen, mal in ungeschliffenen Zustand. Dazu gibt es eine Auswahl besonderer Objekte, gefertigt von heimischen Künstlern, die  geschickt mit der schichtförmigen Maserung spielen. Eine in Miniatur aufgebaute Wasserschleife zeigt, wie einst heimische Edelsteinvorkommen bearbeitet wurden.

Darüber hinaus befinden sich unter den Exponaten des Museums auch Gravuren und Skulpturen aus aller Welt. Zu sehen sind unter anderem kunstvolle Bergkristall-Miniatur-Gemälde, Wappen-Gravuren, Schalen, Vasen und Pokale und modern geschliffene Objekte. Kinder können an einer Rallye durchs ganze Haus teilnehmen. Außerdem gibt es ein großes Workshop-Angebot (Anmeldung nötig). Neben der ständigen Ausstellung, die regelmäßig ergänzt und erweitert wird, präsentiert das Museum jeden Monat ein besonderes Stück als „Objekt des Monats“ und im historischen Kellergewölbe ist jährlich eine Sonderschau zu sehen.

Am 1. März wurde die diesjährige Sonderschau „Lithoviso – Die Seele der Steine“ eröffnet, mit Bildern, die dazu einladen, in das geheimnisvolle Innenleben von Achat, Jaspis und Kristall einzutauchen. Geschaffen hat die beinahe mystisch anmutenden, farbenfrohen Steinporträts der Künstler Sebastian Stoll. Er lebt in Mainz und verbrachte seine Kindheit in Nahbollenbach. Damals durchstreifte er mit seinem Vater Wälder, Wiesen und Felder der Umgebung und sammelte die Edelsteine, die seinen Bildern zugrunde liegen. Der Edelsteinhändler Andreas Franzmann aus Hettenrodt schnitt und schliff die Steine, Stoll fotografierte das Ergebnis. Am Computer bearbeitete er danach die Bilder: Er passte Farben an, experimentiert mit Spiegelungen und Lichteinfall. Das Ergebnis druckte er auf Leinwand, auf Decken, auf Glas und Acryl. Dabei blieb die Grundstruktur der Steine stets erkennbar. Besucher der Ausstellung können das gut nachvollziehen, denn auch die Achate, Jaspisse und Kristalle, die seinen künstlerischen „Steinblicken“, die Stoll „Lithoviso“ nennt, als Vorbilder dienten, sind bis zum 31. Dezember im Edelsteinmuseum zu sehen.

 

GUT ZU WISSEN:  Die Geschichte des Deutschen Edelsteinmuseums
Die Ursprünge des Edelsteinmuseums lassen sich bis 1859 zurückverfolgen: Am Alexanderplatz in Idar eröffnete eine Verkaufsausstellung in einer Gewerbe- und Industriehalle. 1897 zog diese in die „Neue Gewerbehalle“ Ecke Mainzer/ Dr. Liesegang-Straße. Zugleich wurde umstrukturiert: Einheimische Steine und Mineralien sowie Produkte, die vor Ort gefertigt wurden, wurden lediglich gezeigt, nicht mehr verkauft. Am 17. November 1973 entstand daraus schließlich das Deutsche Edelsteinmuseum, das Räume in der neu errichteten Diamant- und Edelsteinbörse in der Mainzer Straße bezog. Seit 1996 ist das Museum am heutigen Standort in der denkmalgeschützten Gründerzeit-Villa „Purpers Schlösschen“ beheimatet, das die 1995 neu gegründete Stiftung Deutsches Edelsteinmuseum für die Ausstellung kaufte und umbaute. 2009 wurde mit einer großen Sonderschau 150-jähriges Bestehen gefeiert. Damit ist das Deutsche Edelsteinmuseum eines der ältesten Museen in Rheinland-Pfalz.

 

Das Deutsche Mineralienmuseum
Alles glitzert, schimmert und leuchtet: Die riesigen Amethyste und Bergkristalle im Kristallsaal des Deutschen Mineralienmuseums, die von LED-Leuchten effektvoll in Szene gesetzt werden, sind wirklich beeindruckend. Kein Wunder, denn darunter sind die größten Kristalle, die je aus Übersee nach Europa gebracht wurden. Und noch einen weiteren Superlativ kann das Museum am Fuße der Felsenkirche in Idar-Oberstein für sich beanspruchen: Es verfügt über die größte Sammlung von Nachbildungen historischer Diamanten. Dazu gehören auch die detailgenauen Reproduktionen des britischen Zepters und der Krone, die im Original die zwei größten der neun größten Cullinan-Diamanten schmücken. Der Cullinan, größter jemals gefundene Diamant, wog rund 621 Gramm, wurde 1905 in Südafrika entdeckt und 1908 in Amsterdam in neun große und 96 kleine Teile gespalten. Die neun großen Teile zieren die britischen Kronjuwelen und wurden in den 1960er-Jahren vom Edelsteinschleifer Emil Juchem aus Wirschweiler detailgenau in Bergkristall nachgefertigt. Darüber hinaus schliff Juchem die beiden größten Exemplare ein weiteres Mal für die Reproduktionen des Zepters und der Krone, die heute als Leihgabe der Idar-Obersteiner Juweliersfamilie Wünsch im Mineralienmuseum zu bestaunen ist.

Neben vielen weiteren Edelsteinen aus der ganzen Welt sind in den 24 Räumen des Gründerzeitbaus am alten Obersteiner Marktplatz, die sich über vier Etagen verteilen, natürlich auch Exemplare zu bewundern, die aus der Region stammen. Darunter viele sehr schön gezeichnete Achate. Darüber hinaus können Besucher 400 Millionen Jahre alte Versteinerungen von Seesternen, Seelilien und Krebsen aus dem Hunsrückschiefer der Devonzeit sehen. Auch Schmuck, der im 19. und 20. Jahrhundert von Edelsteinschleifern und Goldschmieden in Idar-Oberstein gefertigt wurde, sowie Kunsthandwerkerobjekte wie Gemmen, Trinkbecher, Schalen und Skulpturen werden in der 2013 renovierten und neu konzipierten Ausstellung gezeigt. Seit 2019 zeigt ein eigener Ausstellungsbereich dank einer Schenkung eines privaten Gönners 50 Skulpturen aus seltenen Mineralien und Metallen, die das französische Künstlerehepaar Claudius Barbat und Katherine Dimitri-Barbat erschuf.

Im Fluoreszenskabinet indes lassen sich Achate und andere Mineralien in einem ganz neuen Licht betrachten und enthüllen weitere Facetten ihrer Schönheit. Auch Stadtgeschichte ist Thema der Ausstellung, die von den Heimatfreunden Idar-Oberstein e. V. gestaltet und betrieben wird. Fotos, Modelle und Urkunden beleuchten die Entwicklung Idar-Obersteins und erzählen die Geschichte der Felsenkirche. Und eine alte, funktionsfähige Achatschleife mit Wasserrad macht deutlich, wie die Edelsteinschleifer einst arbeiteten.

Die Edelstein-Erlebniswelt
Durch Höhlen spazieren, Grotten inspizieren und Wasserfälle bestaunen: Die Firma Gottlieb hat eine moderne Erlebnisausstellung konzipiert, in der die Besucher in eine faszinierende Fantasiewelt eintauchen und dabei die magische Kraft der Edelsteine mit allen Sinnen erfahren können. Die künstlich angelegten Höhlen und Grotten sind mit unzähligen Edelsteinen, Drusen, Kristallen und Fossilien bestückt, viele verschiedene Lichteffekte setzen die Exponate eindrucksvoll in Szene. Besucher dürfen die Steine und Fossilien auf ihrem Rundgang hautnah erleben und sie dabei auch anfassen und wortwörtlich die Kraft der Steine erspüren.


Die Reise in die Welt der Edelsteine beginnt in einem Salzkristallgang, der in warmes Licht getaucht ist und große Fossilien zeigt. Er führt mitten hinein in eine Höhlenlandschaft voller leuchtender Kristalle, liebevoll ausgestaltet mit einem Vulkan, plätschernden Quellen, Tümpeln und Edelsteinnestern. Als nächstes wartet eine mystische Landschaft mit einem magischen Brunnen und Nebelschwaden auf die Besucher, die sich mitten in einer Traumwelt wähnen. Auch hier säumen Kristalle und Edelsteine den Weg. In der Sehnsuchtsgrotte gibt es verschiedene beleuchtete Salzkristallsteine in einer Meeressenerie mit Ozean und NIxe zu bestaunen. Beeindruckend sind auch die mit 300 Edelsteinen bestückte Lichtpyramide, die Sonderschau „Mystische Drusenwelt“ und der Licht-Effektraum, der am Ende der Tour unzählige Kristalle in ein magisches Licht hüllt.


Mittwochs (10 bis 12 Uhr) und samstags (11 bis 13 Uhr) gibt es außerdem kostenlose Schleifvorführungen, in denen ein Edelsteinschleifer seine Kunst zeigt. Wer einmal selbst aktiv werden und das traditionelle Handwerk ausprobieren möchte, kann einen der Schleifkurse besuchen, die in drei Varianten angeboten werden (Anmeldung erforderlich!).

Vor allem Kinder lieben die wettergeschützte Schürfstelle der Erlebniswelt. Gegen einen Unkostenbeitrag von drei Euro können kleine und größere Schatzsucher sich hier eine halbe Stunde lang auf die Suche nach Edelsteinen machen. Gefundenes darf natürlich mit heimgenommen werden.

 



Exponate im Deutschen Edelsteinmuseum




Exponate im Deutschen Mineralienmuseum




Lesen Sie nächste Woche in Teil 4 der Serie „Die Edelsteinmetropole Idar-Oberstein – von den Ursprüngen bis heute“:

Edelsteine selber finden: Auf der Jagd nach besonderen Steinen in der Region